„Solange Du nicht bereit bist, Dein Leben zu ändern, kann Dir nicht geholfen werden.“

Hippokrates


 

MEINE GESCHICHTE


Ich bin glücklich verheiratet und zum Zeitpunkt der Krankheit waren meine zwei Kinder 8 und 11 Jahre alt. Mein Job als Werksleiter und Mitglied der Geschäftsleitung in einem großen Mineralbrunnenbetrieb füllte mich aus und ich hatte Erfolg. Ich bin absolut sportbegeistert und jegliche Art von sportlicher Betätigung wie Moutainbiken, Skitouren, Skifahren, Segeltörns bis hin zum Marathonlaufen sind der Ausgleich für mein intensives Berufsleben.

Bis dahin ging es die letzten 15 Jahre privat wie beruflich immer bergauf. Dann ohne jegliche Vorwarnung das erste Schockerlebnis: Ich erfuhr im Herbst 2005, dass ich an Krebs erkrankt bin: Die Diagnose lautet Harnblasenkrebs, laut dem behandelnden Urologen nur ein harmloses Stadium, aber dennoch Krebs. Statistisch ist der Harnblasenkrebspatient im Schnitt 70 Jahre, mich erwischt es bereits mit 40. Die Krankheit spielt in unserer Familie bereits seit mehreren Jahren eine schicksalhafte Rolle. Mein Vater ist - getreu der Statistik mit 69 Jahren - ebenfalls an Harnblasenkrebs erkrankt und eineinhalb Jahre später daran gestorben.

Nach anfänglichen Versuchen den Tumor über spezielle Ausschabungstechniken zu entfernen, kommt bereits ein Vierteljahr später der zweite große Schockmoment: Es stellt sich heraus, dass ein großer operativer Eingriff in Form einer neuen Blase und weitere tiefgreifende Maßnahmen unvermeidbar sind. Ohne Vorwarnung wurde ich von einem Tag auf den anderen aus meinem 12 h Arbeitstag-Rhythmus herausgerissen und fand mich in einer ganz anderen Welt im Krankenhausalltag wieder. Was ich hier erstmals schmerzvoll lernen mußte, ist Geduld. Denn aus den geplanten drei Wochen in einer Spezialklinik in München werden nach mehreren erheblichen Komplikationen insgesamt über fünf Wochen Krankenhausaufenthalt. Meine ehemals austrainierten 85 kg Körpergewicht bei einer Körpergröße von 1,89 m sind so auf 66 kg buchstäblich zusammen geschmolzen. Nach einer weiteren Komplikation und anschließender Reha wurde im Mai 2006 die Chemotherapie gestartet. Die standardmäßige radiologische Untersuchung zu Beginn der Therapie führt zum dritten großen Schock: Der Tumor hatte trotz der radikalen Operation bereits im Körper gestreut. Es werden Metastasen in Lunge, Leber und Skelett festgestellt. Eigentlich das Todesurteil - wie bei meinem Vater.

Ich erkannte, dass der eigentliche Überlebenskampf jetzt erst richtig beginnt - mein bis dato größtes und wichtigstes Projekt. Es gibt selbst aus meinem engsten Umfeld niemanden der zu diesem Zeitpunkt eine halbwegs positive Prognose wagt. Der Begriff Heilung wird gar nicht mehr erwähnt, es geht nur noch darum möglichst lang eine vernünftige Lebensqualität zu erhalten. Die Situation ist vergleichbar mit einem Fußballspiel, in dem man in der 85. Spielminute 0:3 zurückliegt. Theoretisch existiert noch eine Chance, in der Praxis aber eher unwahrscheinlich. Nach anfänglicher völliger Depression und Ausweglosigkeit erwacht mit Hilfe meiner Frau sehr schnell wieder mein alter Kampfgeist - getreu dem Motto: Der Glaube versetzt Berge. Ich spürte instinktiv, dass ich zusätzlich zur Chemotherapie weitere begleitende Therapien benötige. Ich bin einfach aus der Rolle des fremdbestimmten Patienten ausgebrochen und aktiv geworden. Ich setzte mich mit allem, was ich bis dato irgendwo zum Thema Krebs gehört oder gelesen hatte, akribisch auseinander und filterte in Abstimmung mit meinen Ärzten und im Vertrauen auf mein Bauchgefühl die für mich sinnvollen Therapieansätze heraus. So entstand im Lauf vieler Wochen ein sehr umfassendes Behandlungskonzept und ein sehr unkonventioneller Weg. Von der klassischen Chemotherapie über die Naturheilkunde, komplette Umstellung der Ernährung, Enzymtherapien, fernöstliche Heilmethoden wie QiGong und Akupunktur bis hin zur Hypnose. Zu Spitzenzeiten laufen über zehn Therapieformen parallel. Die Basis jedoch ist eine spezielle Therapie, die auf den Erfahrungen eines promovierten Biophysikers aus den USA aufbaut. Dieser pflegte zu Lebzeiten sogar eine Freundschaft mit dem berühmten Albert Einstein. Bei der Therapie, die ein extremes Maß an Disziplin erfordert, handelt es sich um teils abenteuerlich anmutende Methoden mit beeindruckenden Erfolgen. Vermutlich behandelt deutschlandweit nur ein Spezialist aus dem Allgäu, Dr. Klaus Karsch, nach dieser Methode.

Erste Erfolge stellten sich ein. Bereits nach acht Wochen Chemotherapie und den sonstigen Maßnahmen ist die Lunge wieder metastasenfrei und die Lebermetastase stagniert bzw. hat eine leichte rückläufige Tendenz. Nach fast einem dreiviertel Jahre die erste gute Nachricht - zu diesem Zeitpunkt ein Wunder. Nach weiteren 2 Monaten sind Lunge und Knochen aus radiologischer Sicht tumorfrei. Die Metastase in der Leber hat sich um 30 % zurückgebildet. Ich beschloß entgegen der Empfehlung des Onkologen, die Chemotherapie zu beenden und konzentrierte mich voll und ganz auf die Aktivierung meines Stoffwechsels und den Wiederaufbau meines Immunsystems. Nach drei weiteren Monaten war ich, nur mit Hilfe meines eigenen Immunsystems, nach wie vor in der Lunge und den Knochen tumorfrei und in der Leber ist nur noch eine geringe Restaktivität erkennbar. Ich entschloß mich zu einem letzten wichtigen Schritt: Ich ließ die verbliebene Lebermetastase von einem Spezialisten an der Uniklinik in Frankfurt weglasern und war erstmals seit eineinhalb Jahren radiologisch gesehen wieder tumorfrei. Ein unbeschreiblicher Erfolg.

Nach weiteren zwei Monaten wollte ich wieder in kleinen Schritten in meinen alten Beruf einsteigen. Doch eine Harnablaufstörung an der linken Niere, eine Komplikation als Folge der großen Operation vor einem Jahr, warf mich nochmal eineinhalb Monate zurück. Entgegen der Befürchtungen der behandelnden Ärzte waren aber keine bösartigen Geschwulste für die Probleme verantwortlich. Und so lies ich mich nicht aus der Bahn werfen und kehrte nach 14 Monaten Krankenstand wieder in meine Firma zurück und startete mit abgespecktem Tätigkeitsfeld in meinem alten Beruf als Werksleiter.

Aber es blieb weiter spannend. Im Sommer 2007 wurden erstmals im Bereich der Neoblase zwei verdächtige Stellen ausgemacht, die damals durchaus als Vernarbungsprozesse im Anschluß an die letzte große OP zu interpretieren waren. Im weiteren Verlauf des Jahres nahmen die beiden Stellen jedoch geringfügig an Größe zu und gleichzeitig bekam ich im Frühjahr 2008 sehr starke Rückenschmerzen. In einem Kontrollkernspin stellte sich dann heraus, dass die eine Stelle im Bereich des Iliosakralgelenkes direkt an die unteren Lendenwirbel herangewachsen war und durch die Kompression der dort befindlichen Nerven zu den starken Schmerzen führte. In der sofort durchgeführten Biopsie wurde die eine Stelle als reine Vernarbung, die andere Stelle an der Wirbelsäule wurde jedoch eindeutig als eine Metastase diagnostiziert. Das war natürlich erstmal wieder ein riesen Schock. Trotzdem war das Ergebnis insoweit positiv, dass nicht alle Dämme des Immunsystems gebrochen waren, sondern bis auf dieses eine Rezidiv, alle alten Brandherde nachwievor ohne Befund waren. Nachdem die Schmerzen aber mittlerweile bereits so stark waren, dass nur noch stärkste Medikamente helfen konnten, mußte dringend etwas passieren. Nach vielen Beratungsgesprächen und Überlegungen war die Methode der Wahl diesmal eine Bestrahlungstherapie, die bereits nach 3 Wochen zu einer Beseitigung der Schmerzen führte. Ich ließ mich auch diesmal nicht unterkriegen und konnte sogar während der gesamten Therapie zumindest halbtags arbeiten.

Aber irgendwie sollte es das anscheinend immer noch nicht gewesen sein. Nach zwei sorgenfreien Monaten fingen so langsam die Schmerzen im Lendenwirbelbereich wieder an und nach ein paar Wochen konnte ich ohne Morphium keinen Schritt mehr gehen. Nachdem das betroffene Gebiet im Bereich der Lendenwirbelsäule bereits bestrahlt war, standen nicht mehr viele Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Als ob das alles nicht schon genug gewesen wäre, erlebte ich dann im September meinen absoluten Tiefpunkt. Das damals durchgeführte PET CT zeigte zusätzlich zur Lendenwirbelsäure wieder Metastasen in den Bereichen Hals. Leber und Bauchraum. Ich befand mich also wieder in einer ähnlichen Situation wie im Sommer 2006. Wie sehr ich nach diesem Befund am Boden zerstört war, läßt sich mit Worten kaum beschreiben. Mir zog es komplett den Boden unter den Füßen weg. Erst meine Frau schaffte es wieder, mich aus meiner Lethargie zu reißen und meinen Überlebenswillen zu wecken. Ich hörte wieder auf zu arbeiten und wechselte wieder in den Krankenstand. Innerhalb kürzester Zeit wurde mit den behandelnden Spezalisten ein umfassendes Konzept erstellt und aktuell habe ich vier Zyklen einer sehr harten Chemoterapie hinter mir. Wie man an dem rechten Photo unschwer erkennen kann, würde ich die Aufnahmeprüfung in ein Shaolinkloster problemlos bestehen (zumindest, was die Frisur anbelangt).

Aber ich wäre nicht ich, wenn nicht auch noch eine Vielzahl von begleitenden Therapien mit Hochdruck ebenfalls durchgeführt worden wären. Hier möchte ich vor allem die Akupunktur-Therapie von Prof. Bahr erwähnen. Und so zeigte bereits das nächste PET CT im November einen deutlichen Rückgang sämtlicher Metastasen. Wir haben uns natürlich alle riesig gefreut, dass die Therapien greifen. Und es sollte noch besser kommen, im aktuellen CT vom Januar 2009 waren keine vagabundierenden Metastasen mehr feststellbar. Jetzt kann ich mich in Ruhe der Raumforderung an den Lendenwirbeln widmen, um auch hier wieder mittelfristig vollkommen ohne Schmerzmittel auskommen zu können. Auf jeden Fall sehen wir der Zukunft nach wie vor positv entgegen, denn: "Die Hoffnung stirbt zuletzt".

Aktuell versuche ich mit Hochdruck eine weitere Verbesserung dieses Zustandes zu erreichen. Die Frage, wieso trotz aller Therapien und sonstiger Maßnahmen wieder Krebszellen in Form von Metastasen entstehen konnten, beschäftigt mich nach wie vor. Ein wichtiger Teil meines Weges ist zwar erfolgreich zurückgelegt, aber anscheinend liegt durchaus auch noch ein Stück Weg vor mir. Dennoch gebe ich die Hoffnung nicht auf, meinen Körper trotzdem nachhaltig "befrieden" zu können.

Nachdem sich dieser unglaubliche Weg sehr schnell in meinem Umfeld herumgesprochen hatte, kamen immer mehr betroffene und interessierte Menschen auf mich zu und wollten mehr über die Hintergründe meiner Geschichte wissen. Nach anfänglicher Skepsis beschloß ich neben meinem Buchprojekt meine Geschichte auch als Vortrag zusammenzufassen. In bis zu eineinhalbstündigen Vorträgen werden hier meine Achterbahnfahrt der Gefühle und meine Erfahrungen beschrieben. Ich bin mir jedoch zu jedem Zeitpunkt meiner Verantwortung bewusst und versuche weder das schwierige Thema zu bagatellisieren, noch zu euphorisch aufzutreten, aber dennoch den Kampfgeist zu wecken. Sogar Ärzte und Therapeuten waren von meinen Vorträgen sehr beeindruckt und sehen den immensen Bedarf an Informationen, der nötig ist, um als Patient aus der Passivität und Fremdbestimmung hin zum eigenverantwortlichen Umgang mit seiner Krankheit zu gelangen.